JVC GY-HM650E – die revolutionäre VJ-Kamera


 

Videokameras heutzutage revolutionär zu nennen, ist vielfach übertrieben oder einfach ein seltenes Ereignis. Wenn der Ausdruck in der Vergangenheit berechtigt war, dann waren es Highlights wie Full-HD- oder vor nicht allzu langer Zeit die 4K Auflösung, Videofähige Spiegelreflexkameras, Super 35mm Sensoren, Roh-Aufzeichnung, Highspeed-Aufnahmen oder die Miniaturisierung der Geräte. Über den Daumen gerechnet macht das etwa eine Revolution pro Jahr.

JVC hat mit der GY-HM650E eine VJ-Kamera auf den Markt gebracht, die das ENG (electronic news gathering)-Handwerk neu definiert. Mit der Kamera ist es nun nämlich möglich, Files ohne weitere Geräte per ftp upzuloaden. An der kommenden NAB in Las Vegas wird zudem die Livestream-Funktion vorgestellt. Damit finden die Bilder den Weg zu den Fernsehstationen deutlich schneller.

JVC_GY-HM650E

Im ENG-Bereich gelten bekanntlich dieselben Regeln wie bei einem 100m-Sprint: Es gewinnt nicht jener, der am schönsten läuft, sondern wer als erster am Ziel ankommt. Und: The Winner takes it all. Wer also nicht als Erster Bilder liefert, geht häufig leer aus. Somit sind GY-HM650E-Besitzer deutlich im Vorteil, ohne sich je Dopingvorwürfe gefallen lassen zu müssen.

Den Speedvorteil holt sich die JVC gewiss nicht alleine vom FTP-Upload-Feature. Die Cam bietet nämlich die Möglichkeit, in verschiedenen Containern, Codecs, Auflösungen und Bitraten aufzuzeichnen. Zudem kann sie WLAN oder Mobile Modem Sticks per USB anstöpseln. Letztere sind mittlerweile für den 4G (LTE) Standard erhältlich und machen – sofern am Ort verfügbar – das Leben eines VJs angenehmer. Nicht auszudenken, welche zusätzlichen Möglichkeiten künftig der schnelle Mobilfunk bieten wird, wenn er zuverlässig und flächendeckend verfügbar ist. ENG wird damit sicherlich eine Revolution erleben.

Bei meinen Tests konnte ich Files von der Kamera mit LTE Stick von Huawei mit 10Mbit/s über das Swisscom Netz uploaden. Ein 2 Minuten 1080i25 Video codiert in AVCHD SP Modus (16Mbit/s), also in Broadcast-tauglichkeit, benötigte dabei etwas mehr als 3 Minuten.

Sollte die Internetgeschwindigkeit nicht genug schnell sein, ist die Kamera flexibel genug, um auch SD-Files oder gar Proxy-Files mit Datenraten von 1 Mbit/s zu generieren. Bei einer Verbindung mit EDGE bei typischen 100 kbit/s würde der Upload eines 2 Minuten Proxyvideos 20 Minuten dauern. Damit könnten News auch in abgelegenen Gebieten mit EDGE Abdeckung in vernünftiger Zeit zum Broadcaster geschickt werden, natürlich ohne Anspruch auf den Gewinn eines Kunstpreises.

Mit dem Dual-SD-Karten-Einschub kann man sogar gleichzeitig 2 verschiedene Formate aufzeichnen. Beispielsweise wird Karte A mit Full-HD MXF / XDCAM EX bespielt, während auf Karte B die Proxies gespeichert werden. Dies erlaubt einem einen schnellen Transfer für die nächsten News, ohne auf einen späteren konventionellen Schnitt in Broadcast-Qualität zu verzichten.

Leider ist das Trimmen von Videos in der Kamera nicht möglich (dieses Feature wird aber mit dem Firmware-Update mitgeliefert). Somit sollte beim Drehen darauf geachtet werden, nur Nötiges aufzunehmen, insbesondere an Orten mit langsamer Internetverbindung. Die Kamera lässt glücklicherweise zu, mehrere Files aufs Mal upzuloaden…

Mit einem bald erscheinenden Firmware-Update werden zudem Live-Streams möglich. Nicht nur gute Zeiten für jene, die ihre Bilder nicht genug schnell mit der Welt teilen konnten, sondern speziell für solche, die damit ihre Brötchen verdienen!

Ganz abgesehen von all diesen Upload- und Streaming-Features geht fast unter, dass die GY-HM650E eine mit 2.5 kg ultraleichte und kompakte VJ-Kamera ist, die fast alle Wünsche eines VJs erfüllt: Ein lichtstarkes Fujinon Objektiv F1.6-3.0, 23-fach, f=4.1-94.3mm (35mm: 29 to 667mm), 3 Objektivringe für Focus, Zoom und Blende, 3 rauscharme CMOS-Sensoren, 2 XLR-Inputs plus ein separater Mini-Jack-Eingang (AUX) für Wireless-Receiver, 3 Stufen ND-Filter, Automat-Manuell-Umschalter. Nicht gespart hat JVC auch beim Akku, der kommt nämlich von IDX, dem bekannten Hersteller für hochqualitative Kraftspeicher.

Die EBU hat die Kamera sehr genau unter die Lupe genommen und als Broadcast-Kamera im VJ-Bereich qualifiziert. Im Tech-Paper sind alle Testergebnisse zusammengefasst.

Nicht ganz begeistern kann mich der Sucher, der zwar eine hohe Auflösung aufweist, aber durch den von DLP-Projektoren bekannten Rainbow-Effekt beeinträchtigt wird. Störend ist auch der relativ laute Lüfter, der bei sensibel eingestellten Mikrofonen fein wahrnehmbar ist (wobei dieses Problem mit dem nächsten Firmware-Update gemäss JVC behoben sein wird). Zudem hat mir das Histogramm gefehlt.

Insgesamt begeistert die GY-HM650E als universelle, leichte VJ- oder ENG Kamera, die mit der Streaming- und Uploadfunktion ein konkurrenzloses wie auch revolutionäres Feature anbietet. Kombiniert mit einem Preis von rund 6000 Schweizer Franken oder 5000 Euro erstaunt es nicht, dass BBC gerade 550 Stück davon geordert hat.

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