Highspeed-Kameras gibt es schon lange: Die schnellsten Filmkameras schossen schon vor Jahrzehnten viele Tausend Negativ-Filmframes pro Sekunde durch das Filmgate. In der digitalen Welt erreicht man heute Geschwindigkeiten von mehreren Millionen Bildern pro Sekunde.
Highspeedkameras wurden entwickelt, um schnelle Aktionen bei industriellen oder militärischen Prozessen (z.B Projektilverhalten und Ballistik) einfangen zu können. Solche Prozesse sind mit blossem Auge nicht wahrnehmbar, da sie zu schnell sind. Aus dem selben Grund werden bei Auto-Crashtests solche Kameras verwendet.
In der Unterhaltungsindustrie sind Highspeedkameras in einzelnen Sparten im Einsatz. Besonders bei Werbungen oder Sport- oder Musikvideos wird häufig mit höheren Bildraten aufgenommen.
Der Zuschauer empfindet Sänfte, sieht er eine Frau in Zeitlupe mit der Hand durch ein Seidentuch fahren, oder spürt Spektakel, sieht er verlangsamte Bilder eines Snowboarders, der scheinbar grenzenlos durch die Lüfte schwebt. Oder es werden ihm ganz neue Perspektiven eröffnet, wie folgendes Beispiel zeigt:
Canon Bring Colour To life from Christopher Hewitt on Vimeo.
Flächendeckend – also auch bei Pro- und Konsumerkameras – hat sich Highspeed noch nicht durchsetzen können. Der Grund liegt bei den technischen Anforderungen an ein solches Gerät.
Interessanterweise waren viele Filmkameras darauf ausgerichtet, höhere Bildraten zu erreichen. Die beliebte 16mm-Kamera ARRIFLEX 16 sr3 aus dem Jahr 1992 konnte in der Standardversion 75 und in der HS-Version 15o Bilder pro Sekunde (fps) belichten.
Um höhere Raten zu erzielen, mussten spezielle Tricks angewandt werden. Beispielsweise musste ein Verfahren entwickelt werden, damit die Stop-and-Go-Bewegung beim Fixieren des Films während der Belichtung umgangen werden konnte. Dies führte nämlich unweigerlich zu einem Riss des Films. Rotierende Spiegel und Prismen waren die Lösung und ermöglichten Bildraten von über 100’000 fps. Interessant: Der Film musste dabei mit einer Geschwindigkeit jenseits der Schallgrenze transportiert werden.
Im digitalen Zeitalter scheinen die physikalischen Grenzen verschwunden zu sein. Mehrere Millionen Frames pro Sekunden lassen sich mit kleiner Auflösung aufzeichnen. Bei 4 Megapixel lassen sich aber immer noch mehrere Tausend Bilder speichern. Schnelle Sensoren, flinke Bildbearbeitungs-Prozessoren und rasante Aufzeichnung müssen dafür alle gleichsam vorhanden sein. 1 Sekunde rohe Datenauslesung des Sensors mit einer Full-HD-Auflösung und einer Rate von 1000 fps kommt schnell auf 1 GB. RAM als schnellen Speicher ist besonders geeignet, um diese Datenraten einzufangen. So hat sich der Workflow entwickelt, dass die vom Sensor und Image-Prozessor gelieferten Daten zuerst auf in der Kamera integriertes RAM gespeichert wird, um diese erst in einem nächsten Schritt auf Festplatte zu speichern. Viele Industriekameras werden per Gigabit-Ethernet über einen normalen RJ-45 Stecker an einem Computer angedockt, wo das Bildmaterial mit einer mitgelieferten Software visioniert, eventuell gekürzt und dann von der Kamera auf die interne Festplatte gespeichert wird. Diese Video-Daten sind meist in einem Rohformat (8-12 bit) vorhanden und können mit demselben Programm in gängigere Formate umgewandelt werden.
Das Hauptproblem liegt darin, dass schnelle Verschlusszeiten mehr Licht benötigen. Bei 1000 fps führt erst die 40-fache Erhöhung des Lichts zur selben Belichtung wie bei 25fps. Bei Aussenaufnahmen im Sonnelicht mag dies noch gut gelingen, bei Studioaufnahmen fährt man doch mit grösseren Lampen rein. 5K-Scheinwerfer sind je nach Distanz zum Objekt minimal nötig!
Ein weiteres Problem ist der mühsame und langwierige Transfer der Daten auf den Computer. Dies kann je nach Hersteller 10min dauern, will man 5 Sekunden Bildmaterial aufgenommen mit einer Geschwindigkeit von 1000fps verschieben. Dieser Vorgang muss häufig gemacht werden, da die kamerainternen RAM-Speicher häufig nicht mehr als 8GB bieten und vor allem die Daten bei RAM nur flüchtig gespeichert sind. Stellt die Kamera ab, sind die Daten, die nur auf dem RAM gespeichert waren, weg!
Die Herkunft aus der Industrie ist den meisten Highspeedkamera-Systemen anzusehen. Wenn überhaupt – häufig nur mit einem kleinen internen Akku ausgerüstet, eignen sich solche Kameras nicht wirklich für Handheld-Shots. Dass anstatt mit Tausendstel einer Sekunde nur mit Milli- und Mikrosekunden gerechnet wird und Auflösungen, die den Fernseh- oder Kinonormen nicht im geringsten nahe kommen (und nicht zuletzt der Umstand, dass häufig keine Monitore in den Kameras verbaut werden), zeigen, dass die Unterhaltungsindustrie nicht der Hispeed-Aufnahmen Geburtsort ist.
Zwar haben sich ein paar wenige Kamerahersteller in die Kino- und Werbewelt eingenistet. Allen voran Vision Research mit der mehrfach ausgezeichneten Phantom Flex; nebst gängigen HD-Auflösungen (und grösser) stehen HD-SDI Outputs zur Verfügung, mit denen man ein unkomprimiertes Livebild ausspielen kann. Das Filehandling ist mit ultraschnellen Kamera-internen Speichermedien (zur Speicherung der Daten aus dem RAM) deutlich Film-Set tauglicher! Doch mit ca. 100’000 Euro schlägt ein solches Gerät fast jeden potentiellen Kunden in die Flucht. Das Mieten ist somit in den allermeisten Fällen die unausweichliche Alternative.
Für die meisten Kameraleute im Kino- wie im TV-Bereich gehört der Umgang mit solchen Spezialkameras also noch lange nicht zum Tagesgeschäft. In den meisten Fällen müssen Spezialfirmen angeheuert werden. Der Aufwand und die Kosten sind erheblich, sodass viele Produzenten auf Hispeed verzichten.
Die Zeit für die Demokratisierung des Highspeed in der Unterhaltungsindustrie ist nun gekommen. Als ich die Specs der neuen Sony NEX FS-700 gelesen habe, wurde mir klar, dass die neuen Kameragenerationen das lang erwartete 1080p50 nicht nur erreichen, sondern frech um das Vielfache übertreffen! Wie herrlich die Zeiten, bei denen ein paar Tage später Canon mit der C500 120fps in 4K ankündigt, zwar zu einem stolzen Preis von voraussichtlich 30’ooo Euro, aber trotzdem verpackt in einem Body, der häufig auf ENG / TV Produktionen anzutreffen sein wird! Klar: Hier sprechen wir nicht von 1000fps, aber bereits mit 120, oder gar 240 fps lassen sich die verblüffenden Effekte erzielen, damit der Zuschauer Sänfte oder Spektakel erlebt! RED Evangelisten mögen Recht haben, wenn sie monieren, dass die RED one schon vor 3 Jahren 120 fps aufzeichnen konnte. Doch sie war und ist vor allem für aufwändigere Film- und TV-Produktionen im Einsatz.
Schliesslich sind die neuen Sensor-Generationen so sensitiv wie nie zuvor! Selbst bei 240fps wird man ohne teures und stromhungriges Licht nicht auf Innenaufnahmen verzichten müssen!
Good times, video guys, good times!
Hallo Herr Lehmann,
mein Sohn macht Geräteturnen und nun bin ich auf der Suche nach einer Highspeed-Kamera mit der ich bzw. sein Trainer ihm seine Bewegungsabläufe deutlicher darstellen kann. Habe sie Erfahrung mit Highspeedaufnahmen im Sport / Bewegungsanalyse. Mein Budgetrahmen liegt bei max. 1000€. Gibt es in diesem Rahmen sinnvolle Lösungen.
Schönen Sonntag
Jens Püschel